Die Herausforderungen an unsere Gesellschaft, deren Unternehmen, Organisationen und Individuen sind hoch komplex und in Ihrer Dynamik unvorsehbar. Sie sind für den Einzelnen unüberschaubar und
führen zu Überforderungen, die sich in Depression und Lähmung ausdrücken.
Um auf diese dynamischen Herausforderungen angemessen reagieren zu können, braucht es eine Planung und Steuerung, die ebenso dynamisch ist und somit in der Lage ist auf komplexe Veränderungen
reagieren kann. Die menschliche Evolution hat mit unseren Gehirnen und Sinnesapparaten eine solche kybernetische Steuerung längst hervorgebracht. Wir können auf komplexe Herausforderungen
reagieren und haben so sämtliche Lebensräume unsres Planeten nachhaltig besetzt.
Wir können kreativ denken und handeln. Wie diese Kreativität entstehen kann und welche Rahmenbedingungen nötig sind erläutert (mein Vortrag „It´s all in your Sister´s Head“).
Rekursives prozessieren ist hier der zentrale Punkt, der die Art und Weise, wie biologisches Leben auf Neues reagiert erklären kann. Diese rekursiven biologischen Prozesse werden durch die
Kybernetik berechnet und beschrieben.
Im Bereich der Kommunikation bietet Kommunikationsdesign Prozesse und Strategien an, um menschliche, also rekursive, Kommunikation zu simulieren und zielgerichtet zu steuern. Konkrete Tools wie
z.B. Design Thinking und UX Design machen sich diese Rekursivität erfolgreich zu eigen.
Stefan Groß beschreibt in seinem Buch „Ordnungen schaffen“ wie die kreative Grundvorrausetzung Rekusivität auch in der Prozessbegleitung erfolgreich eingesetzt wird. Er legt dar, wie die menschliche Art kreativ zu denken sich in der Visualisierung und Moderation umsetzen lässt und so zu relevanten Ordnungen und dynamischen Lösungen führen kann.
Die Kernaufgabe von Prozessbegleitern ist es, Ordnung(en) zu schaffen. Die Besonder-heit dabei ist, dass diese nicht nur einen selbst, sondern gerade auch für Auftrag-geber, Beteiligte und Betroffene sinnvoll, brauchbar und anschlussfähig erscheinen. In einem fortwährenden Klärungsprozess werden deshalb fortwährend unter-schiedliche Strukturvorschläge so lange angeboten, verworfen oder weiter-entwickelt, bis eine passende Form gefunden ist, die der jeweiligen Situation gerecht wird und als nützlich angesehen wird. Worum geht es? Worum nicht? War das gemeint, oder etwas anders? Was bedeutet x für y? Wo bestehen Zusammen-hänge? Wo liegen die Schwerpunkte? Welche Optionen sind grundsätzlich denkbar? Was spricht jeweils dafür, was dagegen? Was gehen wir zuerst an? Was lassen wir weg?
Häufig werden dafür eine Struktur, ein Diagramm, eine Matrix, ein Schaubild oder ein Ordnungsraster genutzt, die entweder Teil eines vorgeplanten Kommunikationsprozesses sind oder diese entstehen live aus dem Gespräch heraus. Auf diese Weise prägen die eingesetzten Strukturwerkzeuge die Kommunikation von vorne herein, oder sie unterstützen maß-geblich dabei, aus einem offenen Prozedere in einen ordentlichen, zielorientierten Verlauf zu münden. Dabei unterstützen Strukturhilfen in der Analysephase genauso, wie beim Treffen von Entscheidungen, dem Klären von Konflikten, dem Sortieren von Verantwortlichkeiten, dem Lösen von Problemen oder bei Transferfragen in Richtung Alltag. Die Ordnungsangebote, gerade wenn sie visualisiert sind, helfen allen Beteiligten, den Kommunikations-prozess zielorientiert auszurichten, Wechselwirkungen aufzuzeigen, Prioritäten zu setzen oder in die Tiefenstruktur von Themen vorzudringen, statt nur an der Oberfläche zu kratzen. So können sinnvolle Unterscheidungen getroffen werden. Positionen werden sichtbar. Komplexität wird bearbeitbar. Kommunikation wird anschlussfähig, Verständnis möglich.
Im kybernetschen Design führen wir die Erkenntnis, dass rekursive Prozesse menschliche Kreativität am besten abbilden und fördern kann konsequent weiter.
Kybernetisches Design ist die konkrete Anwendung kybernetischer Grundlagen auf sämtliche Formen komplexer menschlicher Systeme und Kommunikation (wie Organi-sationen, Institutionen, Marken etc.).
Grundproblem ist das Erreichen und Sicherstellen von bestmöglicher Steuerbar-keit der Organisation, ihrer Prozesse und der strategischen Kommunikation trotz extrem hoher Komplexität, geringer
Prognostizier-barkeit sich dynamisch verändernder Verhältnisse, eingeschränkter Informations-lage. Kybernetisches Design bietet Lös-ungen für diese stochastischen Prozesse, um zielgerichtet
Problemlösungen zu entwickeln.
Im Gegensatz zu linear-kausalen Modellen, in denen ein Prozess oder eine Organisation nach bewusst vorgefassten Plänen gesteuert wird, nimmt Kybernetisches Design auf die Dynamik und Unvorherseh-barkeit komplexer Systeme explizit Rücksicht. Vorgefertigte Pläne mit linearer Grundlage können dies nicht und somit auch keine Innovationen für die neuen gesellschaftlichen Herausforderungen entwickeln., kybernetische Rückkopplungs-schleifen mit zirkulärer Grundlage können dies aber durchaus. Komplexität wird darin nicht auf wenige Variablen reduziert, sondern durch fortschreitende, interaktive Rückkopplungsprozesse informativ und operativ erschlossen. Ziel ist die Maximierung der Lebensfähigkeit sozialer Systeme (d. h. Optimierung innerer Prozesse und äußerer Anpassungsfähigkeit), die u.a. bereits dem 1959 von Stafford Beer entwickelten Viable System Model zugrunde liegt.
Damit man bei einem System von lebensfähig reden kann, muss sich dieses System an äußere und innere Änderungen anpassen können. Es muss lernen wahrzu-nehmen, aus Veränderungen lernen, diese
sinnvoll verwerten, sich selbstständig weite-rzuentwickeln. Dabei darf es die eigene Identität nicht aufgeben.
Nicht Gewinnmaximierung, sondern Überleben durch Veränderung und Inno-vation muss das Ziel sein. Nicht die Führung von Menschen, sondern das Lenken bzw. Steuern und Regulieren ganzer
Organisationen in ihrer Umwelt ist entscheidend.
Das Conant/Ashby-Theorem besagt, dass die Effektivität eines Prozesses nicht besser sein kann als das Modell, auf dem er auf-baut – denn das Modell bestimmt, welche Fakten und Daten bewusst wahrgenommen werden, und welche nicht. Das Gesetz besagt, dass ein System, welches ein anderes steuert, umso mehr Störungen in dem Steuerungsprozess ausgleichen kann, je größer seine Handlungsvarietät ist. Eine andere Formulierung lautet: Je größer die Varietät eines Systems ist, desto mehr kann es die Varietät seiner Umwelt durch Steuerung vermindern.
Zeitgemäße Design- und Moderations-
prozesse arbeiten letztlich auf dieser Grundlage. Im Kybernetisches Design führen wir diese Prozesse in einem konkret anwendbaren Modell zusammen und entwickeln diese weiter. Jeder Design Prozess ist die Simulation menschlicher Kommunikation, also die Reaktion eines komplexen biologischen Systems auf seine komplexe unvorhersehbare Umwelt. Kybernetisches Design ist somit Steuerung und Regelung von sozialen Organisationen und deren kommunikativen Prozessen (aufgrund der Rückkopplung durch Kommunikation und Beobachtung) unter Einbeziehung der Analogie zur Handlungs-weise von lebenden Organismen (aufgrund der Rückkopplung durch Sinnesorgane.
Friktion bedeutet Reibung und ist ursprünglich ein physikalischer Begriff aus der Mechanik. Der preußische Offizier und Militärtheoretiker Carl von Clausewitz (1780–1831) übernahm diesen Begriff
und übertrug ihn auf die Militärtheorie. Für Clausewitz verkörpert Friktion all die Schwierigkeiten und feindlichen Gegenmaßnahmen, die den wirklichen Krieg von den militärischen Planungen
unterscheiden. Denn auch die genaueste Planung kann nicht alle Dinge voraussehen, die bei der Durchführung schiefgehen können. Er schreibt dazu:
„Es ist alles im Kriege sehr einfach, aber das Einfachste ist schwierig. Diese Schwierigkeiten häufen sich und bringen eine Friktion hervor, die sich niemand richtig vorstellt,
der den Krieg nicht gesehen hat. Man denke sich einen Reisenden, der zwei Stationen am Ende seiner Tagereise noch gegen Abend zurückzulegen denkt, vier bis fünf Stunden mit Postpferden auf der
Chaussee; es ist nichts. Nun kommt er auf der vorletzten Station an, findet keine oder schlechte Pferde, dann eine bergige Gegend, verdorbene Wege, es wird finstere Nacht, und er ist froh, die
nächste Station nach vielen Mühseligkeiten erreicht zu haben und eine dürftige Unterkunft dort zu finden. So stimmt sich im Kriege durch den Einfluß unzähliger kleiner Umstände, die auf dem
Papier nie gehörig in Betrachtung kommen können, alles herab, und man bleibt weit hinter dem Ziel.“[2]
Um diesen Friktionen zu begegnen müssen stochastische und dynamische Prozesse zum Einsatz kommen.
Eine Vorrausetzung dafür ist die Schaffung von Möglichkeitsräumen für die operativen Einheiten.
In hierarchischen Systemen ist dieser Möglichkeitsraum äußerst gering. Der Befehl und dessen Umsetzung sind hier die maßgeblichen Kriterien. Der Blick der Mitglieder der operativen Einheiten ist
somit stets auf die übergeordnete Ebene gerichtet und nicht auf das operative Geschehen. Je klarer die hierachische Struktur desto größer die angstbasierte Betriebsblindheit. (Ich mache das, was
der Boss sagt, auch wenn es aus meiner Perspektive unsinnig erscheint) Agile und scheinbar hierachie-freiere Systeme vermindern zwar den Blick zur nächsthöheren Ebene, ersetzen Ihn aber durch den
konkurrenzbasierten Blick auf den Teamkollegen. Dies führt zu einer zusätzlichen Angst, denn die Hierachie ist nicht verschwunden, sie wird durch den stets unklaren Blick auf das konkurrierende
Verhalten der Teamkollegen ergänzt. (Ich mache das, was der Boss sagt und es mir einen Vorteil gegenüber den anderen bringt, auch wenn es aus meiner Perspektive un-sinnig erscheint) In der
Psychologie spricht man hier von einem Double-Bind Effekt, der umso stärker wirkt, desto konkurrenz-basierter und unklarer das Verhalten der Kollegen scheint.
Kybernetische Systeme geben hingegen den operativen Einheiten einen möglichst großen und selbständigen Handlungsspielraum. Der Blick der Mitarbeiter richtet sich auf das operative dynamische
Geschehen, auf das sie jetzt ebenso dynamisch ragieren können. Damit das gelingt, müssen entsprechende Kommunikationsstrukturen aufgebaut werden. Zum einen muss die reibungslose Kommunikation
zwischen den operativen Einheiten gewährleistet sein, zum anderen muss das strategische Ziel den einzelnen Einheiten jederzeit klar und nachvollziehbar sein. Dies gelingt nicht durch die
Erstellung von Leitbildern oder dem Durchführen von Kulturentwicklungsprozessen, oder der Veränderung der „Fehler-Kultur“. Dies kann nur durch die Schaffung von Möglichkeitsräumen entstehen, was
durchaus als Synonym von Unternehmenskultur zu verstehen ist.
Es lohnt sich ein erneuter Blick auf die Befehlsstrukturen der Wehrmacht im zweiten Weltkrieg. Hier wurden sämtliche Offiziere, auch und gerade die der operativen Einheiten in die Strategie- und
Lagebesprechungen der Führungsebene einbezogen. So bekam jeder Kompaniechef eine Vorstellung vom Gesamtbild, dem „Bigger Picture“. Zurück in seiner Einheit konnte er dies auf das selbständige
Handel seiner Einheit umsetzen, bzw. nach-vollziehen. Die Handlungsverantwortung wurde so auf die einzelnen operativen Einheiten übertragen. Es war nicht mehr nötig auf Befehle des Generalstabs
zu warten. Viel wichtiger war die Kommunikation mit den anderen opreativen Einheiten, die wiederum selbständig handelten. Erst an nachgeordneter Stelle geschah die Kommunikation mit der
Leitungsebene. Dies führte dazu, dass die Kompaniechefs ihre Befehlstände nicht in der Etappe hatten, sondern stets an vorderster Front.
Biologische Systeme und Einheiten, wie nicht zuletzt der menschliche Köper, haben vergleichbare Vorgehensweisen. Hier entscheidet zunächst die kleinste operative Einheit, die Sinneszelle, wie auf eine sich verändernde Umwelt reagiert werden soll. Würden die Zellen auf den refektiven Befehl des Planungszentrums warten, wäre nichteinmal in der Lage einen Ball im Fluge zu fangen. Dies geschieht durch das direkte Zusammenspiel der operativen Einheiten. Das Planungszentrum gibt lediglich vor, dass der Ball gefangen werden soll.
Schafft man also für die operativen Einheiten eines Systems die entsprechenden Möglichkeitsräume, kann ein dynamisches Reagieren auf die Friktionen des operativen Feldes gelingen, ohne die notwendigen Hierarchischen Strukturen zu beschädigen. Angst ist nicht mehr der entscheidende Faktor des Agierens. Weder die Mitarbeiter müssen sich in unübersichtlichen Strukturen orientieren, noch muss die Leitungsebene befürchten, die strategische Führung zu verlieren.
Für die Konzeption und moderative Begleitung solcher Problemlösung-sprozesse bedeutet dies, dass sie anderen Regeln folgen muss, als dies in einem klassischen Beratungs- oder Workshop-rahmen der
Fall ist. Das methodische Repertoire zur Gestaltung solcher Prozesse ist - was die Werkzeuge wie z.B. Design Thinking und Ihre Wirkung angeht - grundsätzlich dasselbe, wie im klassischen Kontext.
„Die Anforderungen an Prozess-wissen, Dynamik und Haltung des Moderators sind jedoch wesentlich komplexer“ (Groß 2017, S. 107).
Die generelle Struktur unserer Arbeit mit kybernetischem Design. besteht einerseits aus der reichhaltigen Erfahrung in Beratungs- und Coachingprozessen, andererseits nutzen wir die
Vorgehens-weisen aus dem Communication Design. Hier im besonderen Interactive- und Strategical Communications wie sie Prof. Kai Beiderwellen seit mehr als 20 Jahren an der Hochschule Mannheim
lehrt und weiter-entwickelt.
Die Struktur des systemisches Denkens und der Kontextverschiebungen wird im Kybernetischen Design in drei Bereiche, oder Räume gegliedert.
Der Moderationsraum dient dazu den Informationsgehalt einer Problemstellung durch Ordnung zu reduzieren und eine Haltung zur Problemstellung zu entwickeln.
Im Innovationsraum wird der Informations-gehalt durch Unordnung (Noise) erhöht. Denkmuster werden erkannt und aufge-brochen.
Der Organisationsraum gewährleistet die Anschlussfähigkeit in bestehende Prozesse, Strukturen und Arbeitsweisen. Dort werden Ideen und Impulse werden z.B. mit Ansätzen aus dem Designprozessmanagement um-gesetzt und implementiert.
Der Medienpädagoge Dieter Baacke stellt axiomatisch fest: Das Axiom 10 heißt: Störungen (Noise) sind ein integraler Bestandteil jedes Kommunikationssystems. Sie können im Kanal, auf der Ebene von
Zeichen, Bedeutungen und deren Repräsentation sowie auf der Beziehungs-ebene auftreten. Da sie in irgendeiner Weise und mehr oder minder stark jedem Kommunikationsprozeß inhärent sind (Reduktion
auf Null ist unmöglich), erhöhen sie die Systemstabilität, wenn sie nicht, falls sie die Kommunikationseffizienz negativ beeinflussen, durch Selbstreflexion des Systems oder von außen kommende
Metakommunikationen beseitigt werden müssen, so daß ein neues System mit neuen (nicht mit den vorigen identischen) Störungen entsteht. (ibid. 161)